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3.2. Sozialunternehmer – wer ist das?

Hier werfen wir einen intensiveren Blick auf die Social Entrepreneurs, die mir ihren Ideen, Impulsen und Initiativen den gesellschaftlichen Herausforderungen aus dem vorherigem Kapitel eine positive Antwort entgegen bringen wollen. Dazu bietet der Beitrag von Prof. Sprinkart wertvolle Einblicke. Versuchen Sie die konkreten Social Entrepreneurship Beispiele mit den theoretischen Überlegungen auf dieser Seite zu verknüpfen. Damit entstehen ein vollständigeres Bild.

Beitrag von Prof. Karl-Peter Sprinkart

Die Sozialforscher Roger L. MARTIN und Sally OSBERG haben sich mit der Definition von sozialem Unternehmertum ausführlich befasst. Sie halten aus ihren empirischen Studien einige wesentliche, verallgemeinerbare Beschreibungsmerkmale fest. Der Sozialunternehmer entdeckt eine sozial ungerechte Situation, welche eine bestimmte Gruppe von Menschen benachteiligt oder leiden lässt. Aufgrund seines kreativen und entschlossenen Charakters fühlt sich der Sozialunternehmer zu einer Verbesserung in dieser Situation berufen. Die Verbesserung, die er erreicht, besteht nicht einfach in einer Änderung der bisherigen Lebensbedingungen oder Abläufe. Sie führt vielmehr zu einer völlig neuen Situation, die versteckte Potenziale innerhalb der benachteiligten Gruppe fördert und so deren Lage nachhaltig verbessert.1

Sie unterscheiden drei Gruppen von sozialen Engagements:

Abbildung: Pure Forms of Social Engagement  2

Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass Sozialunternehmer in einem direkten Handeln neue Lebensumstände durch Produkte oder Dienstleistungen dauerhaft erreichen. Sie zeigen soziale Wirkung (social impact). Wenn sie dies in der Absicht tun, wirtschaftlich so erfolgreich zu sein, dass sie ein eigenes Unternehmen am Markt führen können, betreiben sie ein Social Business.

MARTIN und OSBORG führen in diesem Zusammenhang nützliche Unterscheidungen an:

„Unserer Meinung nach gibt es zwei grundlegende Arten sozial wertvoller Aktivitäten, die sich vom sozialen Unternehmertum unterscheiden. Die erste Art sozialer Aktivitäten ist die Bereitstellung von Sozialdiensten. In diesem Fall hört ein mutiger und engagierter Mensch von einem unerträglichen stabilen Gleichgewicht – z.B. das Schicksal der AIDS-Waisen in Afrika – und sorgt dafür, dass ein Schulprogramm eingerichtet wird, damit diesen Kindern der Schulbesuch und damit ein Auskommen garantiert wird. Dieses neue Programm ist gewiss hilfreich für die Kinder und wird manchen davon vielleicht eine Zukunft ohne Not ermöglichen und dadurch das spätere Leben verändern. Aber nur ein großangelegtes oder nachahmungswürdiges Projekt wird ein neues und besseres Gleichgewicht schaffen.

Diese Art von Sozialaktivitäten wird nie diesen eng gesteckten Rahmen durchbrechen: ihre Wirkung bleibt begrenzt und geht nicht über einen regionalen Rahmen hinaus, während ihr Geltungsbereich entscheidend von den zu erwartenden Hilfsmitteln bestimmt wird. Daher sind Unternehmungen dieser Art relativ unsicher, was sich auch auf die Nutznießer auswirken kann. Es gibt Millionen Organisationen dieser Art auf der Welt, die mit den besten und edelsten Absichten und oft mit vorbildhafter Arbeitsweise vorgehen, sie dürfen aber nicht mit sozialem Unternehmertum verwechselt werden.

Es wäre möglich, eine Schule für AIDS-Waisen als eine Art Social Entrepreneurship umzubauen. Jedoch wäre dafür ein Plan nötig, in dem die Einrichtung dieser ersten Schule eine ganze Reihe weiterer Schulen nach sich zieht und die finanziellen Mittel dafür garantiert würden. Das würde zu einem neuen und stabilen Gleichgewicht führen, in dem im Falle der Schließung einer Schule weitere Möglichkeiten der Erziehung von AIDS-Waisen garantiert würden.

Der Unterschied zwischen diesen zwei Arten von Unternehmungen – Sozialunternehmertum auf der einen Seite und andere Sozialdienste auf der anderen – wird in den unternehmerischen Zusammenhängen oder in vielen der Vorstellungen der Stifter nicht berücksichtigt, sondern schlägt sich erst in den Ergebnissen nieder. Man stelle sich vor, dass Andrew CARNEGIE nur eine einzige Bibliothek errichtet hätte, statt das Konzept eines ganzen Systems von Bibliotheken zu konzipieren, das bis heute Million Amerikanern dient. Diese eine Bibliothek CARNEGIES wäre bestimmt ein Segen für eine Kommune gewesen. Aber es war seine Vision eines ganzen Bibliothekensystems, die ein neues und bleibendes Gleichgewicht geschaffen hat und die den Bürgern einer ganzen Nation Zugang zu Informationen und Wissen gibt und so seinen Ruf als Sozialunternehmer begründet.

Eine weitere Art von Sozialunternehmung ist der soziale Aktivismus. Auch hier gibt es das gleiche Motiv: ein unerträgliches und stabiles Gleichgewicht. Auch treffen einige der erwähnten Charakteristika auf den Aktivisten zu: Inspiration, Kreativität, Mut und Stärke. Aber der Aktivist handelt anders. Statt direkt einzugreifen, wie es der Sozialunternehmer tun würde, versucht der soziale Aktivist Veränderungen durch indirekte Aktionen zu bewirken, z.B. durch den Versuch, andere zur Aktion zu bewegen (Regierungen, NGOs, Verbraucher, Arbeiter, etc.). Wenn von Vorteil, kann sich sozialer Aktivismus mit Unternehmern oder Organisationen verbünden, um die erwünschten Veränderungen zu erreichen. Erfolgreicher Aktivismus kann erhebliche Verbesserungen bestehender Systeme bewirken und kann sogar zu einem neuen Gleichgewicht führen, aber die strategische Aktionsweise zeichnet sich aus durch den Versuch, Einfluss zu nehmen anstatt direkt aktiv zu werden“.3

Die Idee des Social Business wurde weltweit durch den Friedensnobelpreisträger Muhammed YUNUS (Gründer der Grameen Bank) in weiten Teilen entwickelt und bekam durch ihn auch große Medienöffentlichkeit. Er hat seine Vorstellungen in sieben Punkten zusammen gefasst:

  1. Das Unternehmensziel eines Social Business ist die Überwindung von Armut oder die Lösung von einem oder mehreren Problemen, die Menschen und Gesellschaften bedrohen (z.B. in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Zugang zu Technologie, Umweltschutz). Gewinnmaximierung ist nicht Unternehmensziel.
  2. Ein Social Business ist finanziell und ökonomisch nachhaltig.
  3. Investoren erhalten nur ihre ursprüngliche Investition zurück – es werden keine Dividenden ausgezahlt.
  4. Nachdem die Anfangsinvestition zurückgezahlt wurde, verbleiben Gewinne im Unternehmen und werden in Wachstum und Verbesserung investiert.
  5. Ein Social Business ist ökologisch nachhaltig.
  6. Die Mitarbeiter werden gemäß Marktniveau entlohnt, aber unter besseren Arbeitsbedingungen beschäftigt.
  7. ....mache es mit Freude!4

Für die deutschen Verhältnisse gilt: Sozialunternehmer sind Persönlichkeiten, die einen sozialen Bedarf entdecken, der vom Sozialstaat entweder nicht erfüllt wird oder erfüllt werden kann und die die für eine Befriedigung notwendigen Ressourcen – also Wissen, Zeit, Räumlichkeiten, Geld, Technik – zusammenbringen und so managen, dass eine Lösung im „Markt des Sozialen“ im Öffentlichen umgesetzt werden kann.