5.3. Finanzierungsinstrumente

In Abhängigkeit des Geschäftsmodells kann ein Sozialunternehmen auf verschiedene Finanzierungsinstrumente zurückgreifen. Bei der Wahl des Finanzierungsinstruments gibt es zwei Kriterien, die die Charakteristika beschreiben. Es ist die Rückzahlungsfähigkeit des aufgenommenen Kapitals und die Fähigkeit, Zinsen oder Dividenden auf das aufgenommene Kapital leisten zu können.1 Daraus ergibt sich dann folgende Klassifizierung der Finanzierungsinstrumente, die in der folgenden Abbildung dargestellt werden.

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Wenn das aufgenommene Kapital nicht zurückgezahlt werden kann, dann stehen dem Sozialunternehmen Spenden, Eigenkapital ohne Ausschüttungen und nicht-rückzahlbares Hybridkapital zur Verfügung. Nicht-rückzahlbares Hybridkapital umfasst wandelbare Darlehen („Forgivable loans“) und wandelbare Spenden („Convertible grants“).268 Wenn es allerdings jährliche Zahlungen an den Kapitalgeber leisten kann, kann das Sozialunternehmen Eigenkapital aufnehmen.

Im Falle einer möglichen Rückzahlung nach einigen Jahren kann das Sozialunternehmen auf vier unterschiedliche Ausgestaltungsvarianten zurückgreifen. Wenn das Kapital zwar zurückgezahlt werden kann, aber die Kapitalkosten durch Dividenden oder Zinszahlungen nicht geleistet werden können, dann stehen dem Sozialunternehmen zinsfreies Fremdkapital oder rückzahlbares Hybridkapital zur Verfügung. Rückzahlbares Hybridkapital umfasst rückzahlbare Spenden („Recoverable grants“) und Umsatzbeteiligungsmodelle („Revenue share agreements“).269 Im Falle einer jährlichen Dividenden- oder Zinszahlung hat das Sozialunternehmen Zugriff auf Hybridkapital, verzinsliches Fremdkapital und Mezzaninkapital. Eine weitere Dimension betrifft die Höhe der Rendite für den Kapitalgeber. Für diese Betrachtung werden die Berechnung des Barwerts und die erwartete absolute Rendite herangezogen.270

Eigenkapital

Eigenkapital ist das geeignete Finanzierungsinstrument, um langfristige Investitionen oder kurzfristige operative Verluste zu decken.2 Eigenkapital steht dem Unternehmen unbefristet zur Verfügung und der Eigenkapitalgeber partizipiert sowohl an den Gewinnen als auch den Verlusten des Unternehmens. Die Rechte des Eigenkapitalgebers hängen sowohl von der Höhe der Anteile am Unternehmen, der entsprechenden Rechtsform und vertraglichen Vereinbarungen ab.34 Im Wesentlichen gibt es drei Eigentumsrechte. Der Eigentümer hat die Kontrolle über die Vermögenswerte und kann damit über die Ziele des Unternehmens und operative Themen wie Einstellungs- oder Standortpolitik bestimmen. Der Eigentümer hat aber auch Zugriff auf sämtliche Gewinne, die das Unternehmen erwirtschaftet. Das Verkaufsrecht gibt dem Eigentümer die Möglichkeit, beide Rechte an eine dritte Person zu veräußern.56

Eigenkapital kann von allen beschriebenen Investorengruppen zur Verfügung gestellt werden. Gerade am Anfang wird ein großer Teil des Eigenkapitals von Direktinvestoren wie Business Angels oder dem oftmals als 4F bezeichneten Kreis, der den Gründer, die Familie, Freunde und andere Privatpersonen kennzeichnet, zur Verfügung gestellt.78

Der Unterschied zwischen den verschiedenen Investorengruppen liegt vor allem in der geforderten Rendite bzw. der Renditeerwartung der Investoren. Wenn der Investor keine finanzielle Rendite erwartet, dann stellt er das Eigenkapital dem Unternehmen als sog. „Patient Capital“ zur Verfügung.9 Wenn der Investor eine finanzielle Rendite fordert, kann man zwischen zwei Modellen unterscheiden. Im ersten Modell gibt es regelmäßige Dividendenzahlungen bzw. Ausschüttungen an die Gesellschafter. Dabei wird die Ausschüttung unter Umständen geringer als bei vergleichbaren profitorientierten Unternehmen sein.10 Im zweiten Modell wird eine hohe Auszahlung in der Zukunft erwartet. Investoren bezeichnen dieses Modell auch als „Home-Run-Strategie“, da es nur eine, aber dafür höhere zukünftige Auszahlung gibt.11

Der Gebrauch von externem Eigenkapital ist bei Sozialunternehmen noch nicht sonderlich ausgeprägt. Das hängt mit dem Rendite-Risiko-Profil, dem fehlenden Sekundärmarkt für Unternehmensbeteiligungen und auch Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Rechtsform zusammen. Außerdem gibt es die Befürchtung von Sozialunternehmen, dass durch externe Kapitalgeber die soziale Mission verwässert bzw. nicht mehr vollkommen verfolgt werden kann.12

Fremdkapital 

Fremdkapital ist ein geeignetes Finanzierungsinstrument, um langfristige Projekte mit stabilen und planbaren Cash Flows zu finanzieren. Im Rahmen der Fremdkapitalfinanzierung wird für einen bestimmten Zeitraum Kapital, das entweder am Ende oder schrittweise während der Laufzeit getilgt wird, zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus gibt es periodische bzw. endfällige Zinszahlungen. Kredite sind regelmäßig mit Vermögenswerten besichert, auf die der Kapitalgeber im Falle einer Insolvenz bevorzugten Zugriff hat.

Fremdkapital wird von den Investoren mit reduzierter und normaler Renditeerwartung bereitgestellt, da mit dieser Art der Finanzierung immer auch eine Rückzahlung von Kapital verbunden ist. Darüber hinaus ist Fremdkapital ein für Investoren beliebtes Finanzierungsinstrument, da die Rückzahlung gut planbar ist und man nicht auf mögliche Exit-Mechanismen über Börsen oder Anteilsverkäufe an andere Investoren angewiesen ist.13

Der Einsatz von Fremdkapital ist im Sozialsektor durchaus verbreitet. 60% der US-amerikanischen Non-Profit-Organisationen nutzen eine Art von Fremdfinanzierung und das durchschnittliche Verhältnis des Fremdkapitals zu Vermögenswerten beträgt 33%.14

Mezzaninkapital

Mezzaninkapital kombiniert Elemente der Finanzierung von Eigen- und Fremdkapital. In der Regel ist Mezzaninkapital nachrangig gegenüber Fremdkapital und beinhaltet auch gewisse Eigenkapitalkomponenten. Darunter fallen der sog. „Equity-Kicker“, bei dem die Rendite an die Wertentwicklung des Unternehmens gekoppelt ist. Am Ende der Laufzeit bekommt der Kapitalgeber einen Anteil an der Wertsteigerung ausgeschüttet.15 Es ist ebenfalls möglich, dass eine gewinnabhängige Zinskomponente besteht. Bei einer gewinnabhängigen Zinskomponente steigt die Zinsbelastung proportional zu der Gewinnentwicklung des Unternehmens. Mezzaninkapital ist ein flexibel strukturierbares Finanzierungsinstrument für Investoren, die eine finanzielle Rendite anstreben. Mit der Fremdkapitalkomponente wird eine Mindestrendite erreicht, während die Eigenkapitalkomponenten dem Investor Anteil an einer positiven Unternehmenswertentwicklung geben.

Spenden

Spenden sind die traditionelle Form der Finanzierung im Sozialsektor und eine verbreitete externe Finanzierungsquelle von Non-Profit-Organisationen.284 Sie sind mit keiner Rückzahlungspflicht verbunden und geben der Organisation weitreichende Freiräume zur Erbringung ihrer sozialen Dienstleistung. Allerdings müssen die Erwartungen der Spender oder sogar eine allfällige Zweckbindung beachtet werden.16 Spenden sind mit hohem Aufwand verbunden, in der jährlichen Höhe nicht planbar und schließen durch den Fokus auf Projektfinanzierung Aufwendungen für eine notwendige Organisationsentwicklung weitgehend aus.1718

Üblicherweise werden Spenden für bestimmte Projekte zur Verfügung gestellt.19 Dabei kann es unterschiedliche Ausgestaltungen geben. Darüber hinaus ist es auch gebräuchlich, für bestimmte Projekte Gelder mit einer Zweckwidmung einzuwerben. Der Prozess der Spendeneinwerbung ist jedoch mit großem Aufwand verbunden.20 SARGEEANT ET AL. schätzen die durchschnittlichen Fundraising-Kosten auf Basis einer Umfrage unter den 500 größten britischen Organisationen auf 21%. In der Umfrage finden sie auch Unterschiede zwischen verschiedenen Sektoren. So müssen Organisationen etwa im Bereich der Bildung weniger Mittel für das Fundraising aufwenden.21 MEEHAN ET AL. schätzen die gesamten Fundraisingkosten auf 22 bis 43% des eingenommenen Betrags. Non-Profit-Organisationen geben für Verwaltung, Sachkosten und Betreuung der Spendeneinwerbungsaktivitäten zwischen 10% und 24% der eingesetzten Summe aus. Die Kosten für Stiftungen und Geldgeber, die sich durch Auswahl und Verwaltung ergeben, belaufen sich auf 12% bis 19% der ausgegebenen Fördersumme.22

Das Sozialunternehmen muss dann auch noch einen bestimmten Zeitraum für den Verbrauch der Mittel einhalten. Es gilt hier ein Gebot der alsbaldigen Verwendung für die gemeinnützigen Zwecke, sofern es vom Spender nicht anders festgelegt worden ist.23 Der Spender hat keinen formalen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen, da mit der Spende keine Kontroll- oder Stimmrechte einhergehen.24 Eine Ausnahme bilden dabei regelmäßige Spenden, da bei Missfallen von Entscheidungen die Spenden ausgesetzt werden können.

Die weitere Verwendung von Spendengeldern ist strengen Richtlinien unterworfen. Im Fall einer Liquidation oder Beendigung der Geschäfte liegt der Zugriff auf dieses Kapital dabei allerdings nicht bei den Eigentümern oder der Geschäftsführung. Dieses Kapital muss einer anderen sozial tätigen Organisation zur Verfügung gestellt werden. Diese Widmung ist gewöhnlich in der Satzung festgeschrieben. Prinzipiell kann jedes Unternehmen Spenden annehmen, allerding ist eine Freistellungsbescheinigung der jeweiligen Steuerbehörde von großer Bedeutung, da sie dem Spender auch eine steuerliche Absetzbarkeit der Steuern garantiert.

Ein Sozialunternehmen hat mehrere Möglichkeiten, Spenden einzuwerben. Ein relevanter Faktor dabei ist die Möglichkeit der Spendenabzugsfähigkeit für den Spender. Der einkommenssteuerliche Abzug beim Spender reduziert dessen Belastung um den entsprechenden Steuersatz.25 Die Spendenmöglichkeit wird häufig auch mit einem privaten Nutzen für den Spender verbunden. Die Nennung von Spendern auf einer Ehrentafel, bevorzugte Zuteilung von Tickets oder Eintrittskarten und Willkommensgeschenke sind Beispiele für die Schaffung privaten Nutzens für die Spender.26 Mit Hilfe von öffentlich einsehbaren Spendenlisten für öffentliche Güter können vermutlich auch die Spendenvolumina erhöht werden.295

Hybridkapital

Unter dem Begriff Hybridkapital werden innovative Finanzierungsinstrumente, die Elemente von Fremdkapital, Eigenkapital und Spenden verbinden, verstanden. Je nach der Strukturierung des Finanzierungsinstruments wird eine dieser drei Komponenten überwiegen.298

Diese Finanzierungsinstrumente sind:

  • rückzahlbare Spenden („Recoverable grants“)
  • wandelbare Darlehen („Forgivable loans“) und wandelbare Spenden („Convertible grants“)
  • Umsatzbeteiligungsmodelle („Revenue share agree-ments“) und
  • Bürgschaften („Guarantees“)

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Abbildung 7: Finanzierungsinstrumente 299

Eine rückzahlbare Spende bezeichnet Kapital, das dem Sozialunternehmen zur Verfügung gestellt wird und nur im Falle einer positiven Unternehmensentwicklung zurückgezahlt werden muss. Wenn der erwartete Unternehmenserfolg allerdings ausbleibt, dann wird die rückzahlbare Spende in eine klassische Spende umgewandelt. Der Kapitalgeber übernimmt also einen Teil des sozialunternehmerischen Risikos. Diese Art der Finanzierung ist trotz der attraktiven Charakteristika nicht sonderlich gebräuchlich. Die steuerliche Handhabung ist schwierig und muss im Einzelfall abgeklärt werden. Eine ähnliche Strukturierung ist auch über ein Darlehen möglich, wenn es bei Misserfolg nicht fällig gestellt wird.27

Wandelbare Darlehen sind Instrumente, bei denen die Rückzahlungsverpflichtung bei Erreichen vorab vereinbarter Ziele, den sog. „Milestones“, erlassen wird. So wird bei Erreichen des Ziels die Rückzahlungspflicht erlassen. Diese Finanzierungsform ist etwa gebräuchlich bei der Ausbildungsfinanzierung von Mitarbeitern, bei denen die Rückzahlungspflicht an den späteren Verbleib im Unternehmen gekoppelt ist. Bei Sozialunternehmen kann eine Finanzierung an die Verpflichtung gekoppelt sein, das soziale Ziel auch langfristig zu verfolgen. Wenn das Sozialunternehmen die vereinbarte Zielsetzung weiterhin verfolgt, wird das ursprünglich als Darlehen ausgegebene Kapital in eine Spende umgewandelt. Andernfalls muss das Kapital komplett oder teilweise zurückgezahlt werden.28

Eine weitere Gruppe der Finanzierungsinstrumente in der Gruppe des Hybridkapitals betrifft Umsatzbeteiligungsmodelle. Dabei finanziert der Kapitalgeber ein bestimmtes Projekt bzw. das gesamte Unternehmen und bekommt dafür während der Laufzeit der Beteiligung jährlich einen bestimmten Anteil des Umsatzes. Der Vorteil für den Sozialunternehmer liegt darin, dass er eine variable Kostenstruktur behält und der Kapitalgeber einen Anteil am Risiko des unternehmerischen Vorhabens trägt.303 Die steuerliche Handhabung ist hier wieder im Einzelfall zu prüfen und vor allem die Unterteilung in Tilgungs- und Zinszahlungen als auch die Implikationen späterer Finanzierungsrunden muss geklärt werden.

Die letzte Gruppe innerhalb des Hybridkapitals stellen Bürgschaften dar. Bei Bürgschaften verpflichtet sich der Bürge, für den Kredit des Kreditnehmers einzustehen. 304 Der Bürge kann somit auch zusätzliches Kapital mobilisieren. Für das Sozialunternehmen ergeben sich daraus einige Vorteile. So verringert die Bürgschaft eines Bürgen mit hoher Bonität die Zinsbelastung und ermöglicht unter Umständen erst die Aufnahme eines Kredits.305 Man kann davon ausgehen, dass ein Bürge die Bürgschaft kostenlos übernimmt. Die erlassene Risikoprämie kann als Spendenkomponente gewertet werden.

 

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