×

Warnmeldung

Bitte beachten Sie das kommende Laufzeitende dieser Plattform (siehe Counter unten Mitte) und die auslaufende Möglichkeit, Ihre selbst erstellten Lehrtexte zu exportieren / einen Export anzufordern.

5.4. Finanzierungsinstitutionen

In den letzten 15 Jahren haben sich neue Finanzierungsinstitutionen entwickelt. Die Teilnehmer umfassen dabei Geschäftsbanken mit Fokus auf den Sozialsektor, Sozialbörsen, Venture-Philanthropy-Fonds, spezialisierte Investmentfonds und auch spezialisierte Berater mit Fokus auf den Sozialsektor.12 In diesem Zusammenhang kann man von einem sozialen Kapitalmarkt sprechen.

Jeder Akteur des sozialen Kapitalmarkts übernimmt eine Rolle, die einem bestimmten Rendite-Risiko-Profil entspricht. Banken stellen Kapital für Projekte mit geringem Risiko zur Verfügung, da sie im Interesse ihrer Sparer die Ausfallquoten gering halten müssen. Venture-Philanthropy-Fonds finanzieren innovative und risikoreiche Konzepte, während Sozialbörsen insbesondere für Sozialunternehmen mit einem bewährten Konzept eine attraktive Finanzierungsquelle darstellen. In Tabelle 12 sind die Institutionen im sozialen Kapitalmarkt mit ihren entsprechenden Äquivalenten im traditionellen Kapitalmarkt und einigen Marktteilnehmen angeführt.

Schnappschuss_050213_114938_AM.jpg

Diese Institutionen stehen in einem direkten Kontakt mit Sozialunternehmen. Darüber hinaus gibt es noch weitere Entwicklungen und Trends, die man in Bezug auf soziale Finanzdienstleistungen feststellen kann. So gibt es etwa Berater, die ausschließlich die Kapitalgeber beraten.

Geschäftsbanken mit Fokus auf den Sozialen Sektor

Es gibt Banken, die sich auf die Kreditfinanzierung des Sozialsektors spezialisiert haben. Diese Banken werben gezielt Sparvermögen an, um das Geld anschließend in Projekte mit sozialen, ökologischen oder kulturellen Bezug zu investieren.3 Diese Spareinlagen sind auch unter dem englischen Begriff „linked deposits“ bekannt.

Aus dieser Spezialisierung ergeben sich Analyse-Kapazitäten, die für die Kreditvergabe und das Monitoring wichtig sind. Der Erfolg dieses Ansatzes ist auch mit Blick auf die Bilanzsummen der Geschäftsbanken mit Fokus auf den Sozialsektor zu erkennen. In Deutschland sind die führenden Banken die GLS-Bank und die Umweltbank. Die GLS Bank verfügt per Dezember 2011 über eine Bilanzsumme von €2,262 Mrd. und 116.500 Kunden.4 Die UmweltBank verfügt per Ende Dezember 2010 über eine Bilanzsumme von €1,763 Mrd. und 86.116 Kunden.5 Mitte 2010 musste die ebenfalls in diesem Bereich tätige Noa Bank ihren Betrieb einstellen, nachdem die Bankenauf-sicht die Neuannahme von Kundengeldern wegen einer zu geringen Eigenkapitalausstattung untersagt hat. Innerhalb weniger Monate konnte die Noa Bank knapp €300 Mio. an Sparanlagen gewinnen.67

Im Bereich der Bankdienstleistungen gibt es weitere Entwicklungen. Ein großer Bereich sind Mikrofinanzierungsinstitute, die Privatpersonen in Entwicklungsländern Bankdienstleistungen und insbesondere Mikrokredite anbieten. Mikrofinanzierungsinstitute sind seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Muhammad Yunus, dem Gründer der Grameen Bank, in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gelangt und um diese Institute hat sich auch ein eigenes Ökosystem an Intermediären gebildet. Zwei der größten Mikrofinanzierungsinstitute sind mittlerweile an Börsen gelistet.313

Social Investment Advisors

Eine der großen Herausforderungen im Bereich des sozialen Kapitalmarktes ist die Verbindung zwischen Angebot und Nachfrage. Gründe sind die fehlende Finanzierungsexpertise bei den Sozialunternehmen, nicht standardisierte Performance-Kennzahlen und ein Fehlen von Marktinfrastruktur.8 Zunehmend gibt es Intermediäre, die diese Funktion übernehmen und damit die Such- und auch die Transaktionskosten durch Spezialisierungs- und Skaleneffekte zu senken helfen. Diese Intermediäre kann man als „Social Investment Advisors“ bezeichnen.9

Diese Gruppe versucht Sozialunternehmen auf der Nachfrageseite und Sozialinvestoren auf der Angebotsseite zusammenzubringen und auch den Transaktionsprozess zu begleiten.10 Die Bezahlung erfolgt in manchen Fällen in Anteilen am Unternehmen und wird als „Sweat Equity“ bezeichnet. Eine neue Entwicklung in diesem Bereich ist die Gründung einer sozialen Investmentbank in Großbritannien unter dem Namen Big Society Capital, die mit £400 Mio. Kapital aus ruhenden Konten und jeweils £50 Mio. von vier britischen Großbanken kapitalisiert wurde. Diese Institution übernimmt dann die Aufgaben einer klassischen Investmentbank, die auch darin bestehen, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen und auch Märkte für Anlageinstrumente zu schaffen.11

Sozialbörsen

Ein weiterer Pfeiler eines funktionierenden sozialen Kapitalmarktes dürften zukünftig Sozialbörsen darstellen. Die ersten Social Stock Exchanges in Südafrika unter dem Namen SA Social Stock Exchange und in Brasilien unter dem Namen Social and Environment Stock Exchange waren eher Spendenplattformen, auf denen ausgewählte Projekte vorgestellt wurden. Momentan entwickeln sich analog zu traditionellen Wertpapierbörsen sog. Social Stock Exchanges, an denen Anteile von Sozialunternehmen gehandelt werden können.12 Dazu entsteht auch ein Markt für den Handel der Fremdkapitalinstrumente von Sozialunternehmen. Diese Sozialbörsen sind insbesondere für Sozialunternehmen mit einem bewährten Geschäftsmodell und hohem Kapitalbedarf eine attraktive Finanzierungsoption.13

Diese Sozialbörsen entstehen in Mauritius, London, Berlin und Singapur.1415 Eine wesentliche Frage in diesem Zusammenhang ist dabei die Bewertung der Anteile an einem Sozialunternehmen und ob Investoren eher eine Prämie oder einen Abschlag zahlen würden. Es liegen noch keine Zahlen, die eine Einschätzung auf Grund relativer Bewertungen ermöglichen könnte, vor.322 Dieser Umstand dürfte sich ändern, sobald die ersten Sozialunternehmen an Börsen notiert sind.

Es stellt sich auch die Frage, wie Sozialunternehmen ihre soziale Zielsetzung bewahren können. Die Vermögenswerte und Netzwerke von Sozialunternehmen werden oft mit Hilfe von Spenden, philanthropischen Zuwendungen oder der Unterstützung von Venture-Philanthropy-Fonds aufgebaut. Diese materiellen und immateriellen Vermögenswerte stellen einen signifikanten Wert, der außerhalb der sozialen Zielsetzung vermutlich sogar noch gesteigert werden könnte, dar. Außerdem gibt es die Möglichkeit, dass sich Sozialunternehmen von der ursprünglichen Zielgruppe abwenden und sich auf die gesellschaftlichen Gruppen, die mehr Ertrag bei weniger Kosten versprechen, fokussieren.323 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, mit welchen Mechanismen die soziale Zielsetzung geschützt werden könnte. Eine Möglichkeit ist die Änderung der Unternehmenssatzung, die die soziale Zielsetzung stärkt und verankert.324 Eine andere Möglichkeit ist die Gründung einer Stiftung, die die Sperrminorität am Unternehmen hält und über die Mitarbeit im Aufsichtsrat die wesentlichen strategischen Entscheidungen beeinflussen kann.325 Neben einer Stiftung als Ankerinvestor ist es auch denkbar, dass sozialverantwortliche Investoren einen Anteil übernehmen und damit im Sinne befreundeter Investoren die soziale Zielsetzung unterstützen.

Venture Philanthropy Fonds

Ähnlich wie Venture-Capital-Gesellschaften finanzieren Venture-Philanthropy-Fonds junge innovative Unternehmen und wenden die Prinzipien von Venture Capital im Sozialsektor an. Die Kerncharakteristika von Venture Philanthropy sind das hohe Engagement, die maßgeschneiderte Finanzierung, die mehrjährige Unterstützung, die nicht‐finanzielle Unterstützung, der Aufbau organisatorischer Kapazitäten und die Performancemessung.16 Ein weiteres Charakteristikum von Venture-Philanthropy-Fonds ist der mehrstufige Auswahlprozess. Darüber hinaus setzen manche Fonds auch verstärkt auf Zusammenarbeit zwischen Sozialunternehmen in ihrem Portfolio. Kooperationen im Sozialsektor sind trotz der Möglichkeit, Kosten zu senken, noch nicht weit verbreitet.17

In der Essenz geht es darum, dass – anstelle einer Verteilung nach dem Gießkannenprinzip – eine Konzentration auf einige ausgewählte Organisationen erfolgt, die als effizient und effektiv eingeschätzt werden und mit Hilfe eines mehrstufigen Auswahlprozesses identifiziert werden. Diese Organisationen werden über einen längeren Zeitraum mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet. Dabei wird die Organisation nicht nur finanziell, sondern auch mit Managementberatung und Kontakten unterstützt.18

HEISTER (2010) klassifiziert Venture-Philanthropy-Fonds anhand der angestrebten sozialen und finanziellen Rendite als auch des sozialen und finanziellen Risikos, das sie zu tragen bereit sind. Tabelle 13 zeigt die mögliche Klassifizierung in einem Spektrum zwischen klassischen Förderstiftungen und Venture-Capital-Fonds. Die Rendite und das Risiko lassen sich dabei in eine private und soziale Komponente unterteilen. Das soziale Risiko bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass das gewünschte soziale Ziel nicht erreicht wird.19

 

Schnappschuss_050213_120718_PM.jpg

Einige Venture-Philanthropy-Fonds agieren auch mit einer finanziellen oder sozialen Nebenbedingung, die als „Hurdle Rate“ bekannt ist. Unter einer finanziellen Nebenbedingung kann die soziale Rendite maximiert werden, wenn eine finanzielle Mindestrendite erreicht wird. Bei einer sozialen Nebenbedingung wird festgelegt, dass die Investition beispielsweise in strukturschwache Regionen fließt und unter dieser Nebenbedingung die finanzielle Rendite maximiert werden kann.

Auf der einen Seite des Spektrums gibt es die Förderstiftung, die ausschließlich die soziale Rendite im Blickpunkt hat. Diesen Ansatz teilt sich die Förderstiftung mit einem Spenden-Venture-Philanthropy-Fonds, wobei sie sich durch den Zugang zu den Investitionen wie oben beschrieben wesentlich unterscheiden. HEISTER (2010) unterteilt die Venture-Philanthropy-Fonds in Spenden-Venture-Philanthropy-Fonds und Social-Venture-Capital-Fonds, deren Unterschied in der erwarteten privaten Rendite liegt. Social-Venture-Capital-Fonds erwarten sich eine positive Rendite und müssen aus diesem Grund Abschläge bei der erwarteten sozialen Rendite hinnehmen.330 Auf der anderen Seite des Spektrums stehen dann Venture-Capital-Fonds, deren einziges relevantes Kriterium eine hohe private Rendite darstellt. Die soziale Rendite spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.2021

Social Investment Fonds

Social-Investment-Fonds bündeln das Kapital von Investoren und investieren diese Gelder in bestimmte Segmente.2223 Dabei unterscheiden sie sich von Venture-Philanthropy-Fonds dadurch, dass sich die Investment-Manager weniger in das operative Geschäft der Portfoliounternehmen einbringen und sich eher in einer passiven Rolle sehen. Manche dieser Fonds investieren auch ausschließlich in Mikrofinanzierunginstitute. Die Volumina sind dabei durchaus beträchtlich.335

Philanthropische Plattformen

Es gibt zwei verschiedene Mechanismen, wie diese philanthropischen Plattformen funktionieren können.24 Eine Möglichkeit ist die Vorstellung von Organisationen, für die gespendet werden kann. In diesem Fall spricht man von Spendenplattformen.

Die zweite Möglichkeit ist das Konzept des sog. „Crowdfundings“. Dabei wird ein entsprechendes Konzept vorgestellt und die Kapitalgeber bekommen im Gegenzug eine Gegenleistung. Diese Gegenleistung können dann die Produkte des Unternehmens oder Anteile an dem Unternehmen sein.25

Aus Sicht des Sozialunternehmens ist eine große Investorenbasis zwar mit größerem Anfangsaufwand verbunden, jedoch dürfte sich die unternehmerische Flexibilität aufgrund geringerer Mitspracherechte der Investoren kaum verringern. Es ist allerdings fraglich, da richtige Governance-Strukturen mit entsprechenden Mitspracherechten der Investoren auch Vorteile für das Sozialunternehmen bringen. Die Volumina sind bislang noch relativ gering und es ist fraglich, ob die Volumina in den nächsten Jahren ansteigen werden. Gründe liegen in der fehlenden Anreizstruktur für Kapitalgeber und der notwendigen Masse. Darüber hinaus ist das Crowdfunding zwar ein beliebtes Konzept für profitorientierte Start-Ups, jedoch fehlen noch die großen Erfolgsmodelle.

Weitere Bibliographieeinträge finden Sie hier:  bibliographie_finanzinstitutionen.txt