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6. Rechtsformen & Gründung

Kommen wir nun zu dem vorletzen Kapitel dieses Kurses. Sozialunternehmern wollen, das haben wir auf der Seite "Skalierung" gesehen, ihre soziale Wirkung verbreiten und maximieren. Dazu braucht es in den überwiegenden Fällen eine Organisationsform, sprich eine Rechtsform. Darum geht es in diesem Kapitel.

Eine Rechtsform gibt jedem Unternehmen eine gewisse Struktur und entscheidet über Pflichten und Rechte. Es dient auch der Klarheit gegenüber Dritten; potenziellen Kunden und Partnern. Die Rechtsform entscheidet auch über die Organisation. Beispielsweise ist einem Verein gesetzlich vorgeschrieben, das es eine Satzung braucht sowie eine festgelegte und gewählte Anzahl an Vorständen. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) muss einen Geschäftsführer haben.

Ein Unternehmen oder eine Organisation kann nicht ohne eine Rechtsform existieren. Rechtsformen entstehen auch automatisch. So ist eine wirtschaftlich-tätige Einzelperson automatisch ein Einzelunternehmen. Wenn mehrere Personen zusammen tätig sind, bilden sie damit automatisch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Die Broschüre „Rechtsformen” des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie beantwortet die Frage nach dem Grund für eine Rechtsform folgendermassen 1:

„Zunächst einmal gibt sie dem Unternehmen Halt. Sie ist wie ein Gerüst. Dabei gibt es unterschiedliche Rechtsformen, weil Unternehmer eben auch unterschiedliche Bedürfnisse haben. Je nachdem, ob Sie Gewerbetreibender, Kaufmann, Kauffrau oder Freiberufler sind oder ob Sie ein kleines oder ein größeres Unternehmen gründen möchten. Mit einer Rechtsform legen Sie zum Beispiel fest, wie das Verhältnis der Gesellschafter untereinander sein soll. Oder wer die Geschäftsführung übernimmt. Oder wie groß die Entscheidungsspielräume für die Gesellschafter sein sollen.”

Gegenüber den Kunden sagt die Rechtsform vor allem etwas über die Haftung und die Kapitalausstattung des Unternehmens aus. Also etwa, ob Sie für Schulden des Unternehmens auch mit Ihrem persönlichen Vermögen haften oder nicht. Und wenn Sie beabsichtigen, private Kapitalgeber an Ihrem Unternehmen zu beteiligen, gibt es auch dafür geeignete Rechtsformen.

 

Rechtsformen für Social Entrepreneurs

Für Social Entrepreneurs kommen noch weitere Rechtsformen in Frage. Dazu gehören der Verein, die Genossenschaft, die Stiftung sowie die gemeinnützige GmbH und die gemeinnützige Aktiengesellschaft. Auch die „normale” GmbH soll hier kurz beschrieben werden. (Quelle: http://www.buergergesellschaft.de)

Verein - Ein Verein ist nach Artikel 9 des Grundgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches ein „auf Dauer angelegter Zusammenschluss von Personen, unabhängig vom Wechsel der Mitglieder zur Verwirklichung eines gemeinsamen Zweckes mit körperschaftlicher Verfassung”. Wichtig in unserem Kontext ist der gemeinsame Zweck, der in einer Satzung nieder geschrieben wird und die Ausrichtung, Arbeit und Bestreben der Organisation nach innen und aussen festlegt. Mit dem Satzungszweck kann auch die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einhergehen. Der Vorstand wird von den Mitgliedern gewählt und setzt die Vereinsziele, auch mit Hilfe einer Geschäftsführung, um. Vereine reichen in ihrer Größe und Ausrichtung vom lokalen Hasenzüchterverein bis zum ADAC e.V.. 

Stiftung - Auch eine Stiftung ist eine eigene Rechtspersönlichkeit, die als „juristische Person“ in eigenem Namen ihre Rechte und Pflichten wahrnimmt. Das für die Gesellschaft vorgesehene Vermögen des Stifters wird mit der Gründung zum Vermögen der Stiftung. Anders als bei einer Kapitalgesellschaft ist jedoch an einer Stiftung niemand beteiligt. Es handelt sich um eine völlig verselbständigte Rechtsform, die völlig von der Vermögensebene des Stifters losgelöst ist.

Im Gegensatz zu Verein, GmbH oder AG gibt es bei der Stiftung weder Gesellschafter- noch Mitgliedschaftsrechte. Sie ist somit autonom und ihr eigener Eigentümer. Folglich sind die Möglichkeiten der Steuerung und Einflußnahme auf die Geschäftsführung stark begrenzt.

Um eine Stiftung zu gründen braucht es einen Grundstock von 50.000 Euro. Der spezielle Stiftungszweck kann auch dazuführen, dass Behörden einen höheren Grundstock verlangen.

Mehr zum Thema Stiftungen können Sie im Beitrag der Hans Sauter Stiftung lesen (Seiten 1 - 8)

 

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) -Grundlegend anders als beim Verein gestaltet sich bei der GmbH die Position der Gesellschafter im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen. Der einzelne Gesellschaftsanteil besitzt einen Vermögenswert und ist grundsätzlich übertragbar. Die Übertragbarkeit kann allerdings durch den Gesellschaftsvertrag beschränkt werden.

Auch bei der GmbH bestimmen die Gesellschafter über die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft. Durch Beschluss können Geschäftsführer ein- oder abgesetzt werden und können diesen konkrete Handlungsvorgaben gemacht oder Aufgabenbereiche zugewiesen werden.

Die GmbH ist auch auf Grund ihrer rechtlichen Grundstruktur flexibel. Im Gegensatz zur Stiftung können spätere Änderungen am Gesellschaftsvertrags durchgeführt werden. Das erlaubt der GmbH auf veränderte Umstände zu reagieren. Wie beim Verein ist die Auflösung der Körperschaft möglich. Dies ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn das Kapital verbraucht oder das Unternehmen mangels entsprechenden Engagements der Gesellschafter keine Impulse zur Fortführung mehr erhält. Die Kapitalausstattung der GmbH muss bei deren Gründung mindestens 25.000 Euro betragen. Das ist auch die entsprechende Haftungssumme.

gGmbH - Die gemeinnützige GmbH unterscheidet sich zur normalen GmbH in ihrem gemeinwohlorientiertem Satzungszweck. Ähnlich wie ein eingetragener Verein folgen daraus Steuerbegünstigungen. Das bedeutet aber, dass die Geschäftsaktivitäten sich an der Satzung orientieren müssen. Dadurch geht ein gewisses Maß an Flexibilität verloren. Die passende strategische Ausrichtung muss im Vorhinein festgelegt werden. Die gGmbH unterliegt der GmbH-Gesetzung. 

Genossenschaft - Die eingetragene Genossenschaft ist eine Gesellschaft mit nicht geschlossener Mitgliedszahl. Wie bei einem Verein gibt es die Möglichkeit Mitglieder aufzunehmen und somit zu wachsen. Ihr Geschäftszweck ist die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb. Das Grundkapital der Genossenschaft bestimmt sich nach der Höhe der Anteile der Genossenschafter (Einlagen). Die Mitgliedschaft selbst ist nicht übertragbar, wohl aber das Geschäftsguthaben.

Bekannte Anwendungsbereich sind die Landwirtschaft, im gewerblichen Mittelstand sowie im Bau- und Wohnungsbereich.

Die Geschäftsführung der Genossenschaft obliegt dem Vorstand, der ebenso wie der Aufsichtsrat vorbehaltlich einer anderen Satzungsbestimmung von der Generalversammlung gewählt wird. 

Laut dem internationalen Genossenschaftsbund ist eine Genossenschaft „eine selbstständige Vereinigung von Personen, die sich auf freiwilliger Basis zusammenschließen um ihre gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse zu befriedigen und ihre Vorstellungen in einem Unternehmen zu verwirklichen, das ihnen allen gemeinsam gehört und demokratisch geleitet wird.” 2

 

Aktiengesellschaft (AG) - Wie bei der GmbH besitzen auch bei der AG die Anteile der Gesellschafter (Aktien) Vermögenswert und können grundsätzlich übertragen werden. Im Gegensatz zur GmbH ist die Übertragung unkompliziert.

Im Vergleich zur GmbH ist der Einfluß der Gesellschafter (Aktionäre) auf die Geschäftsführung geringer. Die Geschäfte der AG werden durch den Vorstand geführt. Dieser wird vom Aufsichtsrat bestellt und überwacht, welcher seinerseits in der Hauptversammlung durch die Aktionäre bestimmt wird.

Vorteil der Aktiengesellschaft ist die Möglichkeit einer breiten Kapitalstreuung, durch die eine Vielzahl von Kapitalgebern für die Finanzierung erreicht werden kann. Wie bei GmbH und Verein sind auch bei der AG die Änderung der Satzung sowie die Auflösung der Gesellschaft möglich.

Gemeinnützigkeit

Als gemeinnützig werden alle Aktivitäten gesehen, die dem Gemeinwohl dienen. Der Vorteil der Gemeinnützigkeit ist, teilweise oder ganz von bestimmten Steuern befreit zu sein. Verschiedenste Organisationen, kulturelle Träger, nicht-staatliche Organisationen lassen sich als gemeinnützig einstufen, um sich Steuerzahlung zu ersparen. Die Satzung bzw. der Gesellschaftervertrag belegen den gemeinnützigen Zweck und sind durch das Finanzamt zu prüfen.

Wann ist die Gemeinnützigkeit gegeben?

  1. Die Körperschaft muss gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.
  2. Der Zweck muss selbstlos, ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden.
  3. Alle Voraussetzungen der Steuerbegünstigung müssen aus der Satzung ersichtlich sein. Die Satzung muss auch die Art der Zweckverwirklichung angeben.
  4. Die Satzung muss eine Regelung enthalten, dass das Vermögen der Körperschaft bei Auflösung oder Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke auch zukünftig für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird (sog. Anfallklausel).
  5. Die tatsächliche Geschäftsführung muss der Satzung entsprechen.

Hieraus wird ersichtlicht, dass eine Gemeinnützigkeit wohlüberlegt sein möchte. Nur weil eine Organisation im sozialen Bereich tätig ist oder sein möchte, ist die Gemeinnützigkeit nicht gleich sinnvoll. Sie schränkt auch ein. Der Aktionsrahmen wird enger. In neue Felder vorzustoßen und neue Aktivitäten ins Portfolio aufzunehmen kann schwierg oder unmöglich sein. Die Organisationen müssen sich einer zusätzlichen und wiederkehrenden Prüfung durch das Finanzamt unterziehen. Das kostet Zeit und Geld. 

Die Gemeinnützigkeit erfordert somit einiges an Zukunftsperspektive und strategischer Überlegung und Planung. Anpassungen des Satzungszwecks sind durchaus möglich erfordern aber stets die Einbindung der Mitglieder (beispielsweise beim Verein) sowie einen kostspieligen Gang zum Notar. 

Es gibt auch Vorteile. Die Körperschafts- und Gewerbesteuer entfällt. Das bezieht sich auf das Einkommen der Organisationen. Zudem dürfen dann Zuwendungsbestätigungen für Spenden ausgestellt werden. Das wiederum ist interessant für Spender, die ihre Spende steuerlich geltend machen wollen und nur dann bereit sind zu spenden. Zu beachten ist, dass alle wirtschaftlichen Aktivitäten, die nicht direkt mit dem Satzungszweck übereinstimmen, separat gehandhabt werden müssen. Sie sind dann nicht steuerbereit und somit entstehen entsprechende Kosten.  

Die Gemeinnützigkeit kann einer Organisation auch entzogen werden. Sollten die wirtschaftlichen Aktivitäten überwiegend einem rein wirtschaftlichen Zweck verfolgen und den ursprünglichen Satzungszweck nicht mehr entsprechen. Wenn das gebundene Vermögen, beispielsweise im Falle einer gemeinnützigen Stiftung, zweckentfremdet wird. Spekulationsgeschäfte auf dem Finanzmarkt, zum Beispiel.  

Die beschriebenen Rechtsformen im Vergleich

 

 

Auswahl & Konsequenzen der Wahl der Rechtsform

Jede Rechtsform bietet Vor- und Nachteile. Jede Rechtsform bringt Rechte und Pflichten mit sich. Jede Rechtsform kann auf unterschiedliche Art und Weise zum Erfolg des Unternehmens, der sozialen Mission führen. Eine geeignete Rechtsform zu finden ist kein leichtes Unterfangen. Zu mal ein Startup am Anfang sich mehr um die Idee, die beteiligten Menschen und das zu lösende Problem dreht. Juristische Details stehen dann selten ganz oben auf der Tagungsordnung. Frühzeitige, gute Beratung kann helfen.

Die Gründung ist ein wichtiger psychologischer Schritt. Es bringt das Unternehmerteam enger zusammen, stärkt Commitment und das Auftreten gegenüber Dritten (Partnern, Kunden, Geldgebern).

Kriterien für die Wahl und Gestaltung der Rechtsform nach Klaus Schellberg 3

  • Die Organisation der Leistungsbefugnisse (wer trägt welche Verantwortung, wer kann welche Entscheidungen treffen, wer muss über welche Informationen verfügen)
  • Die Frage der Haftung (wer muss im Fall der Insolvenz für das Unternehmen Haftung übernehmen)
  • Die Finanzierungsmöglichkeiten (Zugang zu neuem Eigenkapital über Beteiligungsfinanzierung, Zugang zu Kapitalmärkten)
  • Die Eigentumsrechte an dem Unternehmen, und hier insbesondere die Einflussmöglichkeiten
  • Die Gewinn- und Verlustbeteiligung
  • Die Steuerbelastung
  • Die Aufwendung für die Rechtsform (Gründungskosten, Prüfungskosten, Offenlegungspflichten etc.)
  • Die Flexibilität beim Eintritt neuer Teilhaber bzw. beim Ausscheiden von Teilhabern

 

Im Ausland - andere Rechtsformen für Social Entrepreneurs

In den USA ist die Low-profit Limited Liability Company, auch unter der Bezeichnung L3C bekannt, entstanden. Ziel dieser Rechtsform ist es die Brücke zwischen For-Profit und Not-Profit Investitionen zu schlagen. Die Tätigkeit soll nach wie vor im profitablem Geschäftsbereich liegen. Gleichzeitig bietet diese Unternehmensform sozialen Investititonsbestrebungen eine Struktur. Insbesondere private philantrophische Investitionen finden hier eine geeignete Rechtsform - auch gegenüber dem Finanzamt.

In Großbritanien ist die Community Interest Company entstanden. Sie dient Social Entrepreneurs, in dem sie leicht zu gründen ist, alle Flexibilitäten kommerzieller Unternehmen hat und gleichzeitig bewußte Regeln damit Gewinne und Tätigkeiten dem Gemeinwohl und sozialem Zweck dienen.

 

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