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2.1.2. Bildbetrachtung im Licht historischer Befunde

Aufgabe 2 b: Überlegen Sie, welche Art der „(An-)Sprache“ bei der Vermittlung von historischen Kunstwerken durch ein Lehrvideo für junge Erwachsene angemessen erscheint!

 

Bereits Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), auf den sich die im 19. Jahrhundert etablierende Disziplin Kunstgeschichte als Urvater berief, machte als Archäologe und Grabungsleiter interessanterweise die materielle Kenntnis zur Grundlage seiner Studien. Die präzise Beschreibung war für ihn Erkenntnismethode. Ernst Rebel bezeichnet Winckelmanns Vorgehen als „Seh-Kunst zwischen Formbetrachtung und historischer Projektion“ (Rebel 1996, S. 16), die sich stark an einer idealisierten Vorstellung von freiheitsverbundener Schönheit der griechischen Kunst orientierte. Allerdings etablierte bereits Winkelmann Ansätze zur Systematisierung der Kunstgegenstände nach chronologischen Gesichtspunkten in seiner grundlegenden Publikation von 1764 Geschichte der Kunst des Alterthums [sic].

 

Eine mit Blick auf die Interdisziplinarität spannende Frage führt in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Eine heftige Diskussion hatte sich am Beschreibungsvorgang von Kunstwerken, also der Ekphrasis, entzündet: die Schriftsteller Wilhelm Heinse, Karl Philipp Moritz, Caroline und August Wilhelm Schlegel und Johann Wolfgang Goethe diskutierten, ob es eine dem Kunstwerk entsprechende Sprache gäbe und wenn ja, wie diese ausgerichtet zu sein habe. Damit rückte die ästhetische Eigengesetzlichkeit von Kunstwerken in den Blick (vgl. Trautwein in Rebel 1996, S. 40). Sie bildete den Urgrund für Ansätze, die nicht nur nach Inhalt und Erkenntnis, sondern auch nach den Wirkungen fragen. Wilhelm Heinse (1746 –1803), der sich nicht wie Winkelmann mit der griechischen Skulptur auseinandersetzte, sondern mit der Malerei, entwickelte als einer der ersten ein besonderes Augenmerk für die Besonderheit des Kolorits und für das Zusammenwirken aller Bildelemente in Gemälden. Eine besondere “Lebendigkeit und Natürlichkeit“ (Wilhelm Heinse: Briefe aus der Düsseldorfer Gemäldegalerie, in Wielands Teutschem Merkur, erschienen zwischen 1776 bis 1777; vgl. Trautwein in Rebel 1996, S. 43) vermittle sich hier dem Betrachter: eine sinnliche Erkenntnis.

In der Phase zwischen Spätromantik und der Jahrhundertwende ist es Friedrich Theodor Vischer (1807 – 1887), der erkenntnistheoretische und ästhetische Positionen am Gegenstand der zeitgenössischen Kunstbetrachtung auf dem Feld der Kunstkritik zusammenführte. Wie der Kunsthistoriker Robert Trautwein anhand der 1841 verfassten, dreißigseitigen Betrachtung von Friedrich Overbecks Triumph der Religion in den Künsten aufzeigen kann, verschmilzt Vischer die Beschreibung des Sachverhalts und die inhaltliche Auslegung, um sein kritisches Urteil zu formen. „Mit der subtilen Steuerung der Beschreibung“ schreibt Trautwein, „nutzt Vischer seine Kritik als Mittel, das einzelne Kunstwerk mit allgemeingeschichtlichen Bedingungen zusammenzudenken.“ (ebd., S. 68) Vischers Kunstbetrachtung pendelt zwischen der bildnerischen Eigengesetzlichkeit des Kunstwerks, der Einfühlung des Betrachters und der Verortung des Kunstwerks in seinem historischen Kontext als wissenschaftlich distanzierte sowie objektivierende Ebene.