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2.2.1.4. Besondere Interview-Formen

(a)         Leitfaden- (halbstrukturiertes) Interview

Beschreibung

Unter einem Interviewleitfaden versteht man eine Interviewanweisung bzw. eine schriftlich festgelegte Richtlinie, nach denen der Interviewer in der Interaktion mit dem Interviewten vorzugehen hat. Der Umfang ist variabel und reicht von einer groben Skizzierung des Interviewzieles bis zur detaillierten Festlegung aller einzelnen Handlungs- und Frage­schritte (Beispiel siehe Bortz & Döring, 1995, S. 289).1

Einsatzfeld

Leitfadeninterviews werden vor allem explorativ eingesetzt, zur Hypo­thesengewinnung oder als Pretest bei der Entwicklung eines standardi­sierten Fragebogens (in Kombination mit quantitativer Forschung) oder zur qualitativen Analyse kleinerer Gruppen bzw. von Einzelfällen (Stier, 1999, S. 189).2 Der Leitfaden dient als Gerüst für die Datener­hebung und macht so die Ergebnisse unterschiedlicher Interviews vergleichbar (Bortz & Döring, 1995, S. 289).3

Besonderheiten

Grundlage für ein Leitfadeninterview ist ein Stichwort-Katalog bzw. Gesprächsleitfaden, der alle zu stellenden Fragen beinhaltet. Damit ist eine gewisse Vergleichbarkeit der Interviewergebnisse gewährleistet. Es gibt sogenannte „Schlüsselfragen", die in jedem Interview zu stellen sind, und sogenannte „Eventualfragen", die je nach Gesprächsverlauf relevant werden. Die genaue Formulierung der Fragen, ihre Reihen­folge und die Reihenfolge einzelner Themen ist dem Interviewer über­lassen und sollte vom Gesprächsfluss abhängen (Stier, 1999, S. 188).4

Vor- & Nachteile

Der Vorteil des Leitfadeninterviews ist, dass dem Interviewten genü­gend Raum für eigene Formulierungen gegeben wird. Aus der Freiheit, die Fragen je nach Gesprächsverlauf zu stellen und dem Gespräch anzupassen, resultiert aber auch die eingeschränkte Vergleichbarkeit.

(b)         Fokussiertes Interview

Entstehung

Entstanden ist diese Form des qualitativen Interviews im Zusammen­hang mit der Kommunikationsforschung und Propagandaanalyse. Sol­che Studien wurden erstmals in den 1940er Jahren durchgeführt, wobei Untersuchungspersonen bspw. zu ihren Eindrücken von zuvor präsentierten Propagandamitteln (Reden, Filme, etc.) befragt wurden.

Beschreibung

Das Charakteristische an fokussierten Interviews ist die Konzentration auf einen vorab bestimmten Gesprächsgegenstand oder -anreiz. Dies kann beispielsweise ein Film sein, den der Befragte gesehen hat, oder eine soziale Situation, die er durchlebt hat. Im anschließenden fo­kussierten Interview werden dann, auf der Basis eines Gesprächsleit­fadens, die Reaktionen und Interpretationen des Befragten bezüglich des zuvor festgelegten Fokus in relativ offener Form festgehalten. Be­sonders hervorzuheben ist, dass in fokussierten Interviews den Befrag­ten die Chance gegeben werden soll, sich frei und auch zu nicht-antizi­pierten Aspekten zu äußern. So werden z. B. assoziative Stellungnah­men der Befragten zum Gesprächsgegenstand berücksichtigt. Das fo­kussierte Interview sollte somit non-direktiv (ohne Anweisung) und situationsspezifisch sein, unerwarteten Reaktionen Raum lassen und tiefgründig geführt werden (Bortz & Döring, 1995, S. 291f).5

(c)         Problemzentriertes Interview

Mit diesem Begriff bezeichnet man eine Interview-Variante, die eine lockere Bindung an einen knappen, der thematischen Orientierung die­nenden Leitfaden mit dem Versuch verbindet, den Befragten weit­gehende Artikulationschancen einzuräumen und ihn zu freien Erzäh­lungen anzuregen. Das Vorgehen entspricht im Prinzip dem fokussierten Interview, Hauptunterschied ist die geringere Standardisierung der Befragung: Problemzentrierte Interviews werden  oft als Kompromiss zwischen leitfadenorientierten und narrativen (erzählenden) Gesprächsformen angesehen (Bortz & Döring, 1995).6