2.2.4. Beobachtungsverfahren
Allgemeine Informationen
Beschreibung
Unter Beobachtung im engeren Sinne versteht man das Sammeln von Erfahrungen (Daten) in einem nicht kommunikativen Prozess mit Hilfe sämtlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten. Im Gegensatz zur Alltagsbeobachtung ist die wissenschaftliche Beobachtung stärker zielgerichtet, methodisch kontrolliert und intersubjektiv. Sie zeichnet sich durch Verwendung von Instrumenten aus, die die Selbstreflektion, Systematik und Nachvollziehbarkeit der Beobachtung gewährleisten und Grenzen unseres Wahrnehmungsvermögens auszudehnen helfen. Mit Hilfe der Beobachtung können quantitative wie auch qualitative Daten produziert werden; bei Letzterem erfolgt ein interpretativer Zugang zum beobachteten Geschehen (Bortz & Döring, 1995, S. 240)1.
Ziel der Beobachtung
Im Zentrum der Beobachtung steht die direkte Beobachtung menschlicher Handlungen, sprachlicher Äußerungen, nonverbaler Reaktionen (Mimik, Gestik, Körpersprache) und sozialer Merkmale (Kleidung, Symbole, Gebräuche, etc.). Die Aufmerksamkeit richtet sich darauf, den Ablauf und die Bedeutung einzelner Handlungen und Handlungszusammenhänge sowie des Beziehungsgefüges zu erfassen. Keine andere Form der Datenerhebung erlaubt dem Forscher einen ähnlich tiefen Einblick in die Alltagsereignisse einer sozialen Gemeinschaft, die vielfältigen Wertvorstellungen und Interessen der Erforschten sowie deren sozialen Kontext.
Selbst- und Fremdbeobachtung
Beobachtungen können sich auf die eigene Person richten (Selbstbeobachtung) oder auf andere Personen (Fremdbeobachtung).
- Die Grundlage der Selbstbeobachtung ist Selbstaufmerksamkeit: Z.B. wird ein kleiner Bereich unseres täglichen Lebens herausgegriffen und für eine gewisse Zeit genauer beobachtet, um die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zu schärfen und Dinge auf eine neue Weise sehen zu lernen.
- Zudem gibt es die sog. „Kontrollierte Introspektion", die systematische Berichte (lautes Denken) und sekundär auswertbare Aufzeichnungen verwendet, um innere Prozesse zugänglich zu machen, die von außen nicht beobachtbar und von den betroffenen Personen selbst ebenfalls nur schwer wahrnehmbar oder verbalisierbar sind.
- Fremdbeobachtung ist ein planmäßiges, systematisches, strukturiertes Betrachten eines Ereignisses außerhalb der eigenen Person.
Einsatzfeld
Die Datenerhebung per Beobachtung ist dann sinnvoll, wenn man
- damit rechnen muss, dass verbale Selbstdarstellungen der Probanden das interessierende Verhalten bewusst oder ungewollt verfälschen,
- davon ausgehen kann, dass eine künstliche Situation das interessierende Verhalten beeinträchtigt,
- für die Deutung einer Handlung das Ausdrucksgeschehen (Mimik, Gestik, etc.) des Handelnden heranziehen will (Bortz & Döring, 1995, S. 240)2.
Prinzipien der Beobachtung
Die Beobachtung sollte verhaltensorientiert ablaufen, d.h. es ist notwendig, Verhaltensweisen zu protokollieren, um die Interpretationen und Bewertungen des Beobachters nachvollziehen zu können und für die Beteiligten nachvollziehbar zu machen. Das Prinzip der Transparenz besagt, dass die Beteiligten vorab über Umfang, Durchführung, Zeitpunkt und besonders über die Inhalte der Beobachtung zu informieren sind. Ein weiterer Aspekt, von dem die Qualität der Beobachtung abhängt, ist das Prinzip der kontrollierten Subjektivität. Damit ist gemeint, dass die Beobachter mit dem Beobachtungssystem keine unveränderlichen Erkenntnisse über das Verhalten der Personen festhalten können.