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2.5.1.1. Nutzen & Grenzen qualitativer Forschung

Nutzen der qualitativen Forschung

Vor diesem Hintergrund ist natürlich auch der Nutzen der qualitativen Forschung nicht mit Pauschalurteilen abzuhandeln: Der Nutzen qualitativer Methoden ergibt sich vor allem mit der Passung der ge­wählten Methoden zum Untersuchungsgegenstand und zu den damit verbundenen wissenschaftlichen Zielen. Durch den Einsatz von quali­tativen Methoden gewinnt Forschung aber in jedem Fall an Offenheit - Offenheit für das untersuchte Phänomen und die daran beteiligten Menschen. Ohne Zweifel kann qualitative Forschung daher Ergebnisse liefern, die näher am Alltag und an drängenden praktischen Fragen orientiert sind als dies bei quantitativen Untersuchungen in der Regel der Fall ist (was man auch als ökologische Validität bezeichnet; s.u.). Damit hängt auch der Vorzug der qualitativen Forschung zusammen, dass der Kontext untersuchter Phänomene nicht ausgeblendet oder kontrolliert, sondern als wichtiger Bestandteil in den Forschungsprozess integriert wird. Auch dies macht die praktische Brauchbarkeit erzielter Ergebnisse im Allgemeinen größer. Positiv hervorzuheben ist zudem die Forderung, das Vorverständnis im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung offen zu legen. Leider aber wird dieses Postulat mitunter nicht eingelöst (Mruck, 2000)1. Dies ist aber nur eines von einer Reihe von Problemen, denn natürlich hat auch die qualitative Forschung mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Probleme in der qualitativen Forschung

Folgende Probleme und damit auch Grenzen der qualitativen Sozial­forschung lassen sich aus der Literatur

zusammenfassen (z.B. Flick, 20022; Mayring, 19993; Mayring, 20014):

  • Das Scheitern qualitativer Forschung wird zu selten thematisiert: Man erweckt damit den Eindruck, als beruhe die qualitative So­zialforschung auf gesichertem Wissen, was ebenso wenig der Fall ist wie die Behauptung, nur die quantitative Forschung sei in den Sozialwissenschaften angemessen, weil auf gesichertem Wissen fundiert.
  • Anteile der Kunst beim qualitativen Forschen werden bisweilen überbetont (z.B. bei der objektiven Hermeneutik): Damit läuft man Gefahr, einzelne Methoden als nicht oder schlecht erlernbar zu deklarieren, was einer sorgfältigen Forschungspraxis abträglich ist; die Sicherung von Qualitätsstandards wird damit unterlaufen.
  • Die Kritik an der quantitativen Methodologie seitens der qualitati­ven Forschung ist bisweilen einseitig und überzogen (s.o.): Der Vorwurf, quantitative Forschung sei ausschließlich am naturwis­senschaftlichen Paradigma orientiert und würde keine Prozesse untersuchen, ist so nicht richtig und verkennt neue Entwicklungen auch in der quantitativen Forschung.
  • Die bestehenden Gütekriterien und Prinzipien, wie sie in vielen Me­thodenbüchern zur qualitativen Forschung postuliert werden, wer­den nicht immer eingehalten; auch gibt es keinen deutlichen Kon­sens darüber, welche der vielen diskutierten Prinzipien so etwas wie „Kern-Gütekriterien" sind und in jedem Fall eingehalten wer­den müssen: Damit ergibt sich das Problem, dass die Qualität qua­litativer Studien schwankt und bisweilen nicht sichergestellt wird (wovor allerdings auch die quantitative Forschung nicht gefeit ist). 

Scheinbare Probleme

Der qualitativen Forschung einen Mangel an ObjektivitätReliabilität und Validität vorzuwerfen und damit die Wissenschaftlichkeit qualita­tiver Verfahren generell in Frage zu stellen, ist nicht dafür geeignet, sich mit tatsächlichen Problemen der qualitativen Forschung (wie oben kurz skizziert) kritisch auseinander zu setzen. Denn Objektivität, Reliabilität und Validität (im Sinne der quantitativen Forschung) sind Gütekriterien, gegendie sich die qualitative Forschung explizit wendet (z.B. Mruck, 2000):

  • Qualitative Forscher halten Objektivität für unangemessen, weil sie ihre eigene Subjektivität nicht als Störvariable betrachten, sondern für den Verstehensprozesse nutzen.
  • Reliabilität (Genauigkeit und damit verbundener Wiederholbarkeit) wird von qualitativen Forschern ebenfalls zurückgewiesen, weil jede Untersuchungssituation als einzigartiges Ereignis verstanden und auch als solches behandelt wird.
  • Die Validität schließlich spielt in der qualitativen Forschung durch­aus eine Rolle - nur wird sie anders (vor allem nicht messtech­nisch) definiert als im quantitativen Paradigma: Es geht hier um die Frage, ob die Konstruktionen des Forschers in den Konstruktio­nen der Untersuchten wirklich begründet sind. Qualitative Forscher bemühen sich - wenn sie „state of the art" arbeiten - also durch­aus um die Gültigkeitihrer Interpretationen und Verallgemeine­rungen.