2.4.6.1. Merkmale & Umsetzungshinweise
Bedeutung der Ganzheitlichkeit
Die Einzelfallforschung bemüht sich um eine systematische Untersuchung von sozialen Tatbeständen.
Die Einzelfallforschung wird herangezogen, um einen ganzheitlichen, realistischen, authentischen und kommunikativen Zugang zur sozialen Umwelt zu schaffen und der Alltagssituation möglichst nahe kommen (Kraimer, 1995)1. Während des gesamten Analyseprozesses soll der Rückgriff auf den Fall in seiner Ganzheit und Komplexität erhalten bleiben, um so zu genaueren und tiefgreifenderen Ergebnissen zu gelangen.
Rekonstruktion von Handlungsmustern
Ein weiteres Ziel besteht darin, einen besseren Einblick in das soziale Zusammenwirken der Gesellschaft zu bekommen. Auf der Grundlage von realen Handlungen will man Handlungsmuster wissenschaftlich rekonstruieren. Dafür ist es notwendig, detaillierte und genaue Beschreibungen der Struktur einer typischen Situation (z.B. Gesellschafts- oder Organisationsstrukturen) wiederzugeben. Des Weiteren soll die gewonnene Erkenntnis über den Einzelfall hinausgehen und generalisierbare Aussagen ermöglichen. Bei der Datenanalyse in Einzelfallanalysen wird die Sequenzanalyse als das grundlegende Prinzip genannt. Ziel der Datenanalyse ist es, die Struktur des Einzelfalls im sequenziellen Ablauf der Reproduktion zu verfolgen (Flick, Kardorff, Keupp, Rosenstiel & Wolff, 1991)2. Weitere Auswertungsverfahren sind z.B. die objektive Hermeneutik, die Konversationsanalyse (Kraimer, 1995) oder die Grounded Theory.
Materialien
Untersuchungs-Materialien, die man bei der Einzelfallanalyse verwenden kann, sind beispielsweise
Protokolle gesellschaftlicher Sachverhalte (Fallakten, Memoiren, Nachrufe), Dokumentationen krisenhafter Verläufe (Krankengeschichten, Anamnesen), belegte Fall- oder Lebensgeschichten (Briefe, Tagebücher, weblog) u.a. (Lamnek, 1995)3.
Methoden
Die Auswahl des zu untersuchenden Falles ergibt sich aus der Fragestellung des Vorhabens. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass möglichst viele Informationen über das Feld gesammelt werden (Flick et al., 1991)4. Um ein facettenreiches Bild zeichnen und Fehler minimieren zu können, wird die Fallstudie üblicherweise multimethodisch angelegt. In der Einzelfallforschung kann also prinzipiell mit allen Methoden der empirischen Sozialforschung gearbeitet werden (Kraimer, 1995). In der quantitativen Forschung werden eher kontrollierende Techniken (z.B. standardisierte Interviews) angewandt; in der qualitativen Forschung werden kommunikative und offene Wege (Gruppendiskussion, narratives Interview, Beobachtung) bevorzugt. In bestimmten Situationen der Einzelfallforschung kommen aber auch quantitative Erhebungs- und Auswertungsmethoden zum Einsatz. Die Methodik der Einzelforschung ist in der Regel wenig oder nicht-standardisiert, da sie an den zu untersuchenden Gegenstand angepasst werden soll.
- 1. . 1995. Die Einzelfallstudie mit Bibliographie zur qualitativen Sozialforschung. Bilanz qualitativer Forschung.
- 2. . 1991. Handbuch Qualitative Sozialforschung.
- 3. . 1995. Qualitative Sozialforschung. Die biographische Methode, Bd2..
- 4. . 1991. Handbuch Qualitative Sozialforschung.